Kleines Fahrrad-ABC

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Antrieb ... da hat's natürlich 2 Aspekte, den technischen und den menschlichen. Technisch ist klar: Wenn du nicht gerade "pfuscht" und zu den elektrischen oder anderen Hilfsmitteln greifst (OK, Kaffee lass ich gelten), wirst du sehr bald feststellen, dass du nicht nur auf dich alleine gestellt bist, sondern offenbar auch noch einer hinter dir sitzt und dich festhält - besonders bei der Bergfahrt. 

Führt uns direkt zum menschlichen Aspekt, der mindestens einmal am Tag die Frage ins Hirn pflanzt: "Was mache ich eigentlich hier?!" Klar weiß man das: Abends beim Lagerfeuer, am Ruhetag, zu Hause während der Planung oder wenn man nach der Tour die Bilder sichtet ...

Und doch gibt es da diese kleinen Momente, wenn alles perfekt zusammenpasst, wenn die Landschaft um dich herum plötzlich mehr ist als nur 'ne nette Aussicht, wenn sich ein Gefühl in dir breit macht, das du so zu Hause nie erleben würdest - hey, diesen Trip kann nichts ersetzen!

 

Berge ... klar, es geht auch ohne; gerade in Deutschland gibt es herrliche Touren an diversen Flüssen entlang, z. B. die Donau runter - hab ich gemacht: Kurz vor Passau hatte ich's dann gründlich satt und fand dann die Erlösung im hammerharten Bayrischen Wald; will sagen; Machst nix - kriegst nix!

 

Charisma ... ist, wenn du die vierte Woche auf Tour bist und die Leute diesen merkwürdigen Gesichtsausdruck annehmen, wenn du ein Geschäft betrittst. Leider hält das zu Hause nicht lange an - oder sollte es heißen: Zum Glück?

 

Durchwachsen ... Eine Beschreibung, die auf die meisten Fahrtage zutrifft. Klar gibt es da die kleinen und großen Highlights, vielleicht tolle Landschaft und ein Superwetter; aber dann war da noch dieser grässliche Gegenwind und die langweilige Stunde in einer öden Stadt, der schmerzende Hintern und dieser verkehrsreiche Abschnitt, vom vielen Gekeuche und dem steifen Nacken ganz abgesehen - hey, immer nur die schönen Stunden zählen! Hilft nicht nur beim Fahrrad fahren ...

 

Ernährung ... ups, ich bekenne mich schuldig. Das Schöne an solch einer immensen Anstrengung ist ja, dass man hineinschlingen kann, was man will und kommt trotzdem etliche Kilo leichter nach Hause. Klar, ballaststoffreiche Nahrung, viel Obst, viel Gemüse - habe ich alles schon mal gehört: Aber setz das mal auf dem Alaska Highway um, wenn du froh sein kannst, wenn dir zum Frühstück fetttriefende Eier und Schinken vorgesetzt werden und das nächste Einkaufszentrum 500 Km entfernt ist!

 

Einfach ... meistens als Schlusswort in dem Satz:" Oh, ist doch ganz ... " benutzt, wenn ein Einheimischer auf die Frage nach dem Weg oder nach dessen Schwierigkeit antwortet. Führt meistens in die Irre bzw. zu überstrapazierten Muskeln.

 

Entropie ... Thermodynamisches Gesetz vom Drang der Materie, sich gleichförmig im Universum zu verteilen. Sieht man immer dann bestätigt, wenn auf dem 4 m breiten Waldweg, auf dem man radelt, zwei Fußgänger so nebeneinander gehen, dass man keine Chance hat, vorbei zu kommen.

 

Erfahrung ... sollte ich nach rund 50.000 Reise-KM auf dem Drahtesel eigentlich schon haben. Kommt mir immer dann in den Sinn, wenn ich am späten Nachmittag merke, dass das am Vorabend ausgerechnete Ziel noch in viel zu weiter Ferne liegt.

 

Fahrrad ... Nach 11 Jahren treuer Dienste fand mein Rad Ende 2001 in Köln einen neuen Liebhaber, den ich leider nie kennengelernt habe (die Polizei auch nicht). Gelegenheit, mit dem neuen gleich alles richtig zu machen. Im nächsten Jahr haben sich auch prompt bewährt: Rohloff Nabenschaltung (nie wieder Kettenblatt-Salat!), 26 Zoll Räder (keine Angst mehr vor'm Gelände) 3 Flaschenhalter (Nie wieder Durst ... äh, schön wärs) und U-Brake Bremsen statt der alten Cantilever, die bei 30 % Gefälle in Cornwall keine allzu große Lust zur Mitarbeit mehr entwickelten. Mittlerweile (Stand 2016) hat dat Dingen um die 85.000 KM aufm Buckel und is am jöcke wie am ersten Tag, Dank auch an meinen aktuellen ...

 

Fahrradhändler ... nun wurde mein Leben ja nach der Nordkap - Reise einer erheblichen Veränderung unterworfen, infolgedessen ich meinem heimatlichen Kölle ein bisserl den Rücken zugekehrt habe, kurzum: Da wo nun mein Fahrrad steht (nämlich in Leichlingen), da soll auch der Schrauber sein Zuhause haben. Zum Glück gibt es in dieser, ähem, Stadt am Rande des Bergischen Landes den kleinen, aber feinen Laden Drahtesel, und der Besitzer, Herr Schmidt, hatte  wahrscheinlich mittlerweile jedes Teil meines Radels in der Hand, und das, soweit ich das beurteilen kann, gekonnt.

 

Frühstück ... ganz klar die beiden M's, Müsli und Milchpulver - ich hasse das Zeug! Also bin ich 2001 auf Brot und Nutella umgesattelt, ne höchst intelligente Idee: Doppelt so schwer und so ergiebig, dass mich schon nach dem Zeltabbau der erste ->Hunger-Ast überfällt.

 

Gegenwind ... schlägt in meiner persönlichen Hass-Hitliste ganz knapp den Dauerregen und lässt dabei Bergfahrten geradezu Lichtjahre hinter sich.

 

Gepäck ... ohne geht's nun mal nicht. 2002 bin ich zum erstem Mal mit 'nem Lowrider (Vorderrad-Träger) losgezockelt,  und gegenüber der früheren Lösung, alles hinten drauf zu knallen, ist das Rad wesentlich besser ausgewogen. Also: Vorne 2 kleinere, wasserdichte Taschen für Klamotten, Bücher und Schlafsack, dazu noch ne Lenkertasche für Kamera, Karte und Kleinzeug; hinten tummelt sich dann noch ein Rucksack, der den ganzen Rest incl. Zelt aufnimmt. Wen's interessiert: Hier geht es zur Checkliste.

 

Hunger ... Tja, hört sich ja eigentlich toll an, 1 Kilo Speck die Woche weg - aber eigentlich ist es wie immer: Sobald der Körper weniger kriegt, als er verbraucht, protestiert er mit jenem garnicht angenehmen Gefühl in der Magengegend. Im Gegensatz zu einer "normalen" Diät werden unkontrollierte Fressanfälle jedoch nicht dramatisch bestraft (siehe ->Ernährung )

 

Hunger-Ast ... was ganz anderes und viel schlimmer. Wenn der Körper so richtig schön ausgepowert ist, sollte er normalerweise die eigenen Depots öffnen - leider ist genau das nicht normal, erstmal fordert der Schweinehund externen Nachschub; und kurze Zeit später meinst du, jeden Moment vom Rad zu fallen. Kann und muss trainiert werden.

 

Instant ... Das Zauberwort für "tragbare" Nahrung bzw. Kaffee. Ein robuster Magen, eine große ->Leere da drin und eine grundsätzliche Abneigung gegen raffinierte Kochkünste bilden die Grundvorrausetzung für diese Art von kulinarischer Verweigerungshaltung.

 

Joggen ... höchst unbefriedigender Ersatz im Winter-Halbjahr. Außerdem hervorragend für eine Lehrstunde geeignet, die dir zeigt, dass Laufen und Radfahren nicht die gleichen Muskelgruppen trainiert.

 

Kausalität ... Also das Gesetz von Ursache und Wirkung. Frage: Besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Ende der Radreise und meiner miesen Laune oder ist das nur jener normale Zeitgeist, der unsere kostbare Kultur kennzeichnet?

 

Leere ... Als Straßenzustand höchst willkommen. Im Kopf herrscht es ziemlich oft vor (meist vornehm mit "Freiheit" assoziiert) und als Energie - Level in den Muskelfasern ist's eigentlich typisch für den späten Nachmittag.

 

Meer ... Tja, wenn du ->Berge unbedingt vermeiden willst ... auf der anderen Seite lässt sich das gerade in Europa gut verbinden, z.B. in Korsika, Norwegen, Wales, Cornwall - äh, wieso zähle ich da gerade meine Lieblings-Reiseziele auf?!

 

Nabe ... in meinem Fall heißt die Rohloff Speedhub 500/14, schaltet 14 Gänge und ist nach 15 Jahren Ketten - Quälerei die reinste Offenbarung ... gut, eigentlich nicht, denn reingucken oder reparieren kannst du dir abschminken; soll angeblich nicht nötig sein! Weitere Informationen  unter www.rohloff.de (ach ja, ist nicht gerade billig, aber wirklich jeden Cent wert).

 

Ordnung ... wozu?  Nach ein paar Tagen wissen deine Finger automatisch, wohin sie dieses und jenes Gepäckstück stopfen sollen. Im umgekehrten Fall, also wenn du endlich das Zelt aufgestellt hast und nur noch den Kocher in Gang setzen willst, ist es erst recht egal, merke: Unsortierte Kleidungsstücke ergeben eine hervorragendes Polster!

 

Planung ... vorzugsweise mit dem Europa-Atlas in der Hand a.) am Wochenende im Bett und b.) bei bestimmten Gelegenheiten auf einem gewissen Örtchen. Tritt meistens am Abend des ersten Fahrtages in die konkrete Phase.

 

Regen ... meist ziemlich unwillkommene Abkühlung. Diverse Reiseführer erzählen von Ländern, in denen es zwar oft regnet, aber das Wetter ständig wechselt und sich die Sonne schon nach ein paar Minuten wieder blicken lässt. Alles Quatsch. Insbesondere wenn du morgens aufgrund des widerlichen Geprassels noch ein paar Viertelstunden länger im Schlafsack rotierst.

 

Ruhetag ... ebenso schön wie notwendig. Spätestens nach vier Fahrtagen am Stück (Angeber: Meist nach drei ...) wächst in mir das Bedürfnis, die Gegend, die ich gerade beehre - oder Stadt - einer eingehenderen Untersuchung zu unterziehen. Endet meist schon am frühen Nachmittag mit 'nem Buch in der Hand.

 

Tagesleistung ... Der Typ hat gerade erst geschnallt, dass du Fahrradreisen machst, und schon rutscht die entsprechende Frage raus. Ja, zum Donner noch eins, ist doch völlig Wurscht! Was mich nervt, ist die offensichtliche Priorität, die in den - zugegeben, meistens männlichen - Köpfen existiert:

Erstmal die Leistung checken, Ranglisten abhaken, dann können wir (vielleicht) über die Sache weiter reden ...

 

Transport ... Wenn das Reiseland nicht allzu weit weg liegt, kann die Tour gerne schon vor der Haustür beginnen: Das Gefühl, ein paar 1.000 Km von zu Hause dazustehen und die ganze Chose ohne fremde Hilfe geschafft zu haben, ist nicht zu verachten. Erleichtert psychologisch dem ach so tapferen Alleinreisenden die Entwöhnung von Fernsehsessel und Doppelkopf-Abend. Ist also 'ne nette Idee, die allerdings im Zeitalter der Billigflieger zunehmend unter Druck gerät. Äh, hat da gerade einer was von "Bahn" gemurmelt ...?

 

Zeit ... Quantenphysikalisches Phänomen, wichtigster Bestandteil nicht nur einer Radreise. Meiner Meinung nach ist alles unter vier Wochen ein Kurztrip; allerdings beschleicht mich zunächst dann doch ein leicht mulmiges Gefühl, wenn der vorgebuchte Flieger Richtung Heimat erst in drei Monaten wieder abhebt.